Mit ETFs in Aktien investieren? Das ist mittlerweile nichts Neues mehr. Doch spielt das Thema der Nachhaltigkeit in allen Bereichen eine immer größer werdende Rolle. Viele Anleger fragen sich, ob sie mit ihren bisherigen Investments womöglich Unternehmen unterstützen, die sehr viel CO₂-Emissionen verursachen, Kinder- und Zwangsarbeit tolerieren oder Waffen produzieren?
Egal, wo man hinschaut, merkt man, dass Nachhaltigkeit einen immer größer werdenden Stellenwert in der Wirtschaftswelt einnimmt: Lebensmittelhersteller verzichten auf Plastikverpackungen, Firmen stellen ihre Flotte auf elektrisch um oder setzen nur noch grünen Strom ein. Auch der Finanzsektor hat das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt und bieten mittlerweile als nachhaltig klassifizierte Produkte an. Viele Anleger denken sich daher, ob sie mit ihrem Geld nicht auch etwas Gutes tun könnten, wenn sie es ohnehin anlegen, anstatt Unternehmen zu unterstützen, die nicht nach nachhaltigen Kriterien wirtschaften. Die Anbieter der ETF haben diesen Trend erkannt und bieten seit einigen Jahren verstärkt nachhaltige ETFs an.
Doch viele Interessenten fragen sich zu Recht, ob diese wirklich so nachhaltig sind, wie es behauptet wird. Außerdem wimmelt der Markt nur so von diversen Abkürzungen und Gütekriterien, die man nur schwer voneinander trennen kann. Daher wollen wir dir in diesem Beitrag die sechs wichtigsten Fragen zu nachhaltigen Investments mit ETFs genauer beantworten und nähern uns diesem Thema wissenschaftlich, indem wir erst einmal alle notwendigen Grundlagen klären und dann auf das Thema detailliert eingehen.
Was ist ein ETF?
ETF steht für Exchange Traded Fund. Das bedeutet, dass wir einen Fund haben, der an der Börse gehandelt wird. Du kannst dir das ähnlich wie einen Index, zum Beispiel dem deutschen Aktienindex DAX, vorstellen. Dieser setzt sich aus den 40 größten Aktien zusammen. Ein ETF umfasst daher meist mehrere Einzelwerte, kann aber ganz normal, wie eine Aktie an der Börse gehandelt werden. Seine Wertentwicklung hängt daher von der Entwicklung der Einzelwerte ab.
Was bedeutet Nachhaltigkeit?
Eine nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Lebensqualität der gegenwärtigen Generation sichert und gleichzeitig zukünftigen Generationen die Wahlmöglichkeit zur Gestaltung ihres Lebens erhält (Hauff 1987). Die Nachhaltigkeit ist dabei in wirtschaftlicher, umweltbezogener und sozialer Hinsicht zu verstehen (Enquête-Kommission 1998 und die Nachhaltigkeitsstrategie bei Statistisches Bundesamt 2014).
Der Duden definiert den Begriff als „Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann“. Einfacher gesagt: Wir wollen mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen verantwortungsvoll umgehen, sodass den nachfolgenden Generationen kein Nachteil entsteht. Nehmen wir den Wald als Beispiel. Da bedeutet Nachhaltigkeit, dass nur so viel Holz geschlagen werden darf, wie auch nachwachsen kann. Wird mehr Holz geschlagen, als das Ökosystem Wald nachproduzieren kann, kommt das Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Der Mensch hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht immer an diesen Nachhaltigkeitsgrundsätzen gehalten, sodass nicht nur im Wald über die Verhältnisse gelebt wurde. Deswegen findet sich die Nachhaltigkeitsdebatte ganz oben auf der Tagesordnung wieder und ist eines der Megatrends unserer Zeit.
Jedes Unternehmen muss sich heute mit nachhaltigem Handeln beschäftigen, um nicht vom Markt zu verschwinden. Dazu gehören nämlich nicht nur die treibhausgasneutrale Erzeugung von Energie, sondern auch Plastik zu vermeiden, weniger CO₂ zu verursachen, faire Arbeitsbedingungen und viele weitere Kriterien.
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Was bedeutet Nachhaltigkeit im Finanzbereich?
Immer mehr Leute wollen nachhaltig und ethisch vertretbar investieren oder zumindest bestimmte Unternehmen oder Branchen ausschließen, die sie für besonders kritisch halten. Auf diese Entwicklungen gehen die großen ETF-Anbieter ein und veröffentlichen immer mehr Finanzprodukte, die den Wünschen und Erwartungen der Anleger entsprechen. Diese Entwicklung ist auch an der absoluten Zahl der verfügbaren nachhaltigen ETFs zu erkennen. Mitte 2018 gab es gerade mal 49 ETFs, in die man in Deutschland investieren konnte. Heute sind es laut justETF bereits 283 nachhaltige ETFs (Stand September 2022). Seit Dezember 2019 gibt es eine EU-weite Verordnung, die regelt, wie nachhaltige Finanzprodukte klassifiziert werden. Dies ist als großer Fortschritt zu sehen, da es bis zu der Verordnung sehr unterschiedliche Ansichten in den Mitgliedsstaaten gab, was nachhaltig, was ethisch korrekt und was sozial verträglich bedeutet.
Das bekannteste Beispiel, um diese unterschiedlichen Sichtweisen darzustellen, ist die unterschiedliche Sicht auf die Atomkraft in Deutschland und Frankreich. In Deutschland wird die Kernenergie nicht zu den erneuerbaren Energien gezählt, da wir bis heute nicht wissen, wo und wie wir den radioaktiven Abfall der Atomkraftwerke lagern sollen. Außerdem geht von dem Betrieb ein gewisses Restrisiko aus für Mensch und Natur aus. Ganz anders sieht es allerdings in Frankreich aus. Frankreich sieht die Kernenergie als vollkommen klimafreundliche Energiegewinnung an, da kaum Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO₂) bei der Energieerzeugung freigesetzt werden. Doch genau diese unterschiedlichen Einschätzungen und Meinungen machen es nicht einfach, diese subjektiven Anforderungen und Wünsche, am Aktienmarkt auch abzubilden. Daher haben sich in der Praxis verschiedene Ansätze und Kennungen etabliert, die versuchen, die subjektiven Sichtweisen in einem Produkt zu bündeln.
Wie du nachhaltige ETFs erkennst
Mit der Zeit haben sich Kennungen am Markt herauskristallisiert, die gewisse Ausschlusskriterien unter einer Kennung bündeln. Diese Kennungen wirken wie Filter, die nur solche Unternehmen in den ETF lassen, die den nachhaltigen, ethischen oder sozialen Anforderungen entsprechen. Oft schließen diese Kennungen bestimmte Branchen im Vorhinein aus. Dazu gehören in der Regel Alkohol, Glücksspiel, Tabak, Rüstungsgüter, zivile Feuerwaffen, Pornografie, genetisch modifizierte Organismen, Kohlekraft und so weiter.
Eine der häufigsten Kennungen heißt: ESG, was für Environmental, Social und Governance steht.
- Umwelt steht dabei unter anderem für den effizienten Umgang von Energien und Rohstoffen, der umweltverträglichen Produktion, geringere Emissionen, umfassende Klimaschutzstrategien.
- Der Bereich soziale Verantwortung, also Social, umfasst die Einhaltung von Arbeitsrechten und Arbeitsschutz, also etwa das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Diskriminierungsprävention sowie Gesundheitsschutz und faire Bedingungen am Arbeitsplatz.
- Und zuletzt das G steht für Governance, was am ehesten im Deutschen mit Unternehmensführung übersetzt werden kann. Es umfasst die Transparenz bei der Korruption und Bestechungsprävention, Verknüpfung der Vorstandsvergütung an den nachhaltigen Unternehmenszielen, allgemeine nachhaltige Unternehmensstrategien, den Umgang mit Whistleblowern und so weiter und so fort.
In der Praxis sieht es dann so aus, dass bei den ESG ETFs bestimmte kontroverse Geschäftsbereiche, wie wir oben vorhin schon angesprochen haben, ausgeschlossen werden. Diese ETFs werden als screened bezeichnet. In einer weiteren Variante werden nicht nur diese kontroversen Geschäftsbereiche ausgeschlossen, sondern es wird eine zusätzliche Gewichtung auf die interessanten Aktien gelegt. Diese werden enhanced genannt. So werden Unternehmen mit besseren ESG Ratings stärker gewichtet als Unternehmen mit einem schlechten Score. Unternehmen, die gar nicht untersucht worden sind oder ein zu schlechtes Rating erhalten haben, werden ganz ausgeschlossen.
Dann gibt es noch das Kürzel SRI, welches für Socially Responsibility Investing steht und so viel wie sozial verantwortliches Investieren bedeutet. Im Zusammenhang mit SRI wird auch oft von Impact Investing gesprochen, was bedeutet, dass bei einer solchen Investition nicht nur die Renditeerwartung erfüllt werden soll, sondern auch nachhaltige Ziele. Dabei liegt ein klarer Fokus auf der sozialen Verantwortung von Unternehmen. Die SRI ETFs picken nur noch die absoluten Topkandidaten mit den höchsten ESG-Ratings heraus und bündeln die besten 25 % aus dem Vorlage-Index.
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Vor- und Nachteile von nachhaltigen ETFs
Die Vor- und Nachteile nachhaltiger Investments Einer der größten Pluspunkte ist der Wohlfühlfaktor. Du willst bei einer Investition ruhig schlafen können. Trotzdem wollen wir auch eine gewisse Rendite erzielen. Optimalerweise können wir beides mit nachhaltigen Investments erreichen. Somit investieren wir mithilfe dieser ETFs in Firmen, die das angelegte Geld für etwas Gutes benutzen.
Je mehr Leute die nachhaltigen Finanzprodukte nachfragen, desto mehr Kapital wird in diesen gebunden. Die in den ETF gelisteten Unternehmen können mit dem zusätzlichen Kapital stärker wachsen, ihre Projekte umsetzen und so zur Lösung diverser Probleme auf der Erde beitragen. Auch andere große Kapitalgeber werden mittel- bis langfristig ihre Gelder von den kontroversen Geschäftsbereichen abziehen und diese in nachhaltigere umschichten. Somit hat jeder Anleger die Chance durch seine Investitionsentscheidung nur solche Firmen mit seinem Geld zu unterstützen, die sich nachhaltigen Zielen verpflichtet fühlen.
Nach jetzigem Stand ist davon auszugehen, dass man mit den nachhaltigen ETFs keine signifikanten Renditeeinbußen hinnehmen muss und das Investment, ob nachhaltig oder nicht, eine annähernd gleiche Rendite erzielen wird. Manche Analysen gehen sogar noch einen Schritt weiter und prognostizieren eine bessere Performance im Vergleich zu den nicht nachhaltigen ETFs. Dieser Punkt ist mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, da es die nachhaltigen ETFs einfach noch nicht so lange gibt und ein Vergleich über mehrere Jahre einfach noch nicht möglich ist.
Da die Rendite der nachhaltigen ETF nahezu identisch zu der Performance der normalen ETF sind, stellt sich zu Recht die Frage, warum wir nicht nachhaltig investieren sollten, wenn wir die Wahl haben. Also schauen wir uns mal Argumente an, die gegen nachhaltige ETFs sprechen könnten.
Die ESG ETFs sind nicht so breit diversifiziert wie der Mutter-Index. Allerdings sprechen wir hier nur von ca. 10 % weniger Unternehmen, die der ETF abbildet. Bei den SRI Varianten sieht es schon deutlich anders aus. Dort sind nur noch ca. 1/4 der Ursprungsanzahl enthalten, was zulasten der Diversifikation geht und somit zu einem potenziellen Risiko der Performance werden kann, auch wenn dieser bis dato nicht vorhanden ist.
Ein weiterer Punkt ist die erhöhte Komplexität bei der nachhaltigen Anlage. Wir haben gesehen, dass es sehr viele unterschiedliche Kategorien und Abkürzungen gibt, dazu kommen die verschiedenen Anbieter von ETF, die zum Teil wieder andere Bezeichnungen haben, obwohl sie Ähnliches meinen. Daher ist die Suche und Recherche an der Stelle wahrscheinlich zeitintensiver und aufwendiger als bei vergleichbaren nicht nachhaltigen Anlagen. Dazu kommt, dass die ESG-Kriterien zum Teil unterschiedlich angewendet werden und daher verschiedene Unternehmen zu unterschiedlichen Ratings kommen. Daher muss jeder für sich selbst im Detail schauen, was für einen persönlich infrage kommt und was nicht.
Die perfekte Nachhaltigkeit in Bezug zu Unternehmen oder zu Indizes gibt es nicht. Sondern nur bestimmte Nachhaltigkeit-Ratings aus verschiedenen Perspektiven, wo du dich selbst informieren musst, welches dieser Ratings – oder welcher Index – am besten zu deinen persönlichen Vorstellungen passt. Dazu kann es dazu kommen, dass bestimmte Indizes Unternehmen enthalten, die aus deiner Sicht nicht nachhaltig sind. Es kann sein, dass ein Unternehmen zu der nachhaltigeren Hälfte der Unternehmen gehört, aber aus deiner persönlichen Sicht nicht nachhaltig handelt. Außerdem kann durch den Nachhaltigkeits-Boom das Greenwashing noch verstärkt werden. Wahrscheinlich werden sich mehr Firmen denn je „Nachhaltigkeit“ auf die Fahne schreiben, obwohl die Detailbetrachtung genau das Gegenteil zeigt. Auch hier muss man individuell und im Detail nachschauen.
Fazit
Du darfst dir keine Illusion machen. Auch bei einem nachhaltigen ETF handelt es sich nicht um das perfekte nachhaltige Finanzprodukt. Wenn es dir wichtig ist, dass dein Geld wirklich nur an Unternehmen geht, die in deinen Augen nachhaltig sind, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass ein nachhaltiger ETF dich nicht zufriedenstellt. Denn es werden einfach noch zu oft Unternehmen im ETF enthalten sind, die du nicht unterstützenswert findest. Allerdings stellen nachhaltige ETFs einen guten Kompromiss dar. Gerade wenn du nicht viel Zeit hast oder nicht motiviert bist, dir jedes Unternehmen so in Detail unter die Lupe zu nehmen, um in Einzelaktien zu investieren, ist ein nachhaltiger ETF eine gute Lösung. Damit investierst du definitiv mehr in nachhaltigere Unternehmen als zum Beispiel bei den nicht nachhaltigeren klassischen ETFs. Zudem muss einem bewusst sein, dass die Welt nicht allein durch unsere (passive) Investitionsentscheidungen besser wird. Wir müssen einerseits aktiv unser Verhalten und unsere Gewohnheiten ändern und andererseits auf politische Veränderungen drängen, um das Ganze langfristig verändern zu können. Nachhaltiges Investieren ist und bleibt eine subjektive Angelegenheit. Es gibt kein Gut oder Schlecht, du musst das ganze nur in Einklang mit dir selbst bringen.