Charttypen – Warum gibt es so viele davon?
Bevor wir die Frage beantworten können, warum es so viele verschiedene Charttypen gibt, muss man sich erst einmal klarmachen, was die Gemeinsamkeit aller ist: der Preis. Jeder kennt dieses Bild, wenn im TV an die Börse geschaltet wird und die große Anzeigentafel im Hintergrund im Sekundentakt den Preis einer Aktie aktualisiert. Menschen haben eine sehr begrenzte Aufmerksamkeitsgabe. Es fällt uns schwer, große Mengen an Zahlen abzuspeichern und zu verarbeiten. Daher sind Aktienkurse, die sich teils mehrmals pro Sekunde ändern, suboptimal für uns. Was wir Menschen besser können, ist Daten in visueller Form interpretieren zu können. Genau das machen Charts. Charts visualisieren die Zahlen der Börse für unser Auge. So sind wir in der Lage, innerhalb weniger Sekunden ein Verständnis für das aufzubauen, was wir da gerade sehen. Viel schneller, als wir mit reinen Zahlenreihen in Stande wären.
Mit der Zeit haben sich aus funktionellen, kulturellen und subjektiven Gründen verschiedene Charttypen entwickelt.
Kurzer Exkurs: Der Zeitrahmen
Bevor wir voll in die Materie gehen, müssen wir noch ganz kurz den Begriff „Zeitrahmen“ besprechen. Zeitrahmen ist in diesem Fall sogar eher der falsche Begriff, da wir auch andere Intervalle nutzen können. Beginnen wir aber mal mit dem Zeitrahmen: Jeder Chart lässt sich in verschiedenen Zeitrahmen darstellen. Je nachdem, welchen Zeitrahmen wir wählen, werden andere Preisintervalle herangezogen. Schauen wir uns z. B. den Tages-Chart an, werden in den meisten Fällen zum Formen der Charts die Eröffnungs- und Schlusskurse der einzelnen Tage herangezogen. Wir blenden hier bewusst Intraday-Bewegungen aus, also dass sich auch der Tages-Chart innerhalb des Tages noch bewegt. Zum Verstehen reicht zunächst die einfachere Version.
In der Abbildung siehst du den Tages-Chart (links) und wie ein bestimmter Ausschnitt (linkes Rechteck) im 4-Stundenchart aussieht (rechtes Rechteck).
Der direkte Vergleich eines Tagescharts und ein Ausschnitt dessen im 4-Stundenchart
Gehen wir in den anspruchsvolleren Bereich, dann kann der Chart auch aufgrund von sogenannten Ranges gebildet werden. Die Zeit wird nebensächlich. Das heißt, wir geben eine gewisse Bewegungsamplitude vor, mit der der Chart dann gebildet wird. Dies ist z.B. beim Renkochart der Fall.
Die unterschiedlichen Charts im Vergleich
Linienchart
Der Linienchart gehört zu den absoluten Klassikern in der Welt der Diagramme. Wie man anhand des Namens erahnen kann, besteht dieser Typ lediglich aus einer Linie.
Eines der klassischten Charttypen: der Linienchart
Der Linienchart begegnet dir häufig bei den klassischen Aktienanalysen im Investmentbereich. Die Linie verbindet verschiedene, zeitabhängige Punkte, wie die Schlusskurse einer Aktie. Je nach Einstellung kann der Linienchart aber auch die Eröffnungskurse einer bestimmten Zeitebene darstellen.
Dieser Chart ist relativ simpel und sauber, was der Grund ist, warum er häufig ausgewählt wird. Gleichzeitig ist dies aber auch der große Nachteil. Dadurch, dass der Linienchart so simpel ist, fehlen uns schlichtweg Informationen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass dieser Typ schlecht ist. Es bedeutet lediglich, dass er eventuell nicht für alle Anforderungsprofile geeignet ist. Ist es unser Ziel, langfristig in Vermögenswert zu investieren, sind Fundamentaldaten wichtiger als das Tageshoch, -tief oder die Eröffnungskurse. In dem Fall reicht uns das abstraktere Bild des Liniencharts. Gehen wir hingegen mehr in Richtung Trading, so eignet sich der Linienchart nur noch bedingt. Die Informationen, die dieser liefert, sind einfach zu gering, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Kerzenchart – der Klassiker im Trading
Besonders im Bereich des Tradings (Daytrading, Swingtrading & Positiontrading) ist der Kerzenchart der Typ, der am weit verbreitetsten ist. Wie du im folgenden Bild siehst, besteht der Kerzenchart aus vielen kleinen „Kerzen“:
Für das Trading schon eher geeignet: der Kerzenchart
Jede einzelne Kerze des Kerzendiagramms steht für eine Zeiteinheit. Wenn der obige Chart etwa ein Tages-Chart ist, repräsentiert jede Kerze einen Tag. Wenn der Chart hingegen ein Stunden-Chart ist, steht jede Kerze für eine Stunde und so weiter.
Eine Kerze in diesem Charttyp besteht aus einem Kerzenkörper und aus zwei Dochten (daher kommt auch der Name). Die folgende Abbildung zeigt dir den schematischen Aufbau. Wichtig zu erwähnen ist noch, dass die Kerze auch nur ein oder gar kein Docht haben kann. Dies ist dann der Fall, wenn das Hoch (oder das Tief) gleichzeitig ein Eröffnungs- oder Schlusskurs ist.
Schematische Darstellung einer Kerze inklusive Beschreibung ihrer Bestandteile
Der höchste Punkt des oberen Dochts ist das Kerzenhoch. Das obere Ende des roten Körpers ist der Eröffnungskurs. Das untere Ende des Körpers ist dann der Schlusskurs und der unterste Punkt des unteren Dochts ist das Kerzentief. Befindet sich der Eröffnungskurs über dem Schlusskurs, haben wir eine rote Kerze (fallender Kurs). Befindet sich der Eröffnungskurs unter dem Schlusskurs, ist die Kerze grün (steigender Kurs).
Der Vorteil des Kerzendiagramms liegt auf der Hand: Wir haben in einem Element vier Datenpunkte in einem grafischen Element. Dabei ist das Vor- und Nachteil in einem. Denn einerseits kann ein geschultes Auge zügig die wesentlichen Informationen herausarbeiten und entsprechende Entscheidungen treffen. Andererseits herrscht dadurch eine Informationsflut, die überfordernd wirken kann.
Balkenchart – die saubere Alternative zum Kerzenchart
Der Balkenchart ist relativ ähnlich zum Kerzenchart und bietet eine echte Einsteigeralternative zum Kerzenchart, da dieser aufgeräumter wirkt.
Balkenchart im Trading
Auch beim Balkenchart erkennst du die vertrauten roten oder grünen Elemente, doch es fehlen die Kerzenkörper. Der Balkenchart definiert die Eröffnungs- und Schlusskurse über kleine horizontale Linien, die nach links (Eröffnungskurs) und rechts (Schlusskurse) ragen.
Schematische Darstellung eines Balken bei dem Balkenchart
Gehen wir auch hier schematisch vor: Das obere Ende bildet das absolute Hoch. Der linke "Ast" bildet in diesem Fall den Eröffnungskurs, der rechte Ast den Schlusskurs. Die Anordnung entscheidet darüber, ob es eine rote oder grüne Kerze wird. Würde sich der Schlusskurs über dem Eröffnungskurs befinden, hätten wir eine grüne Kerze. Zum Schluss bildet das untere Ende dann das absolute Tief. Der Vorteil des Balkenchart ist, dass dieser minimalistischer wirkt. Der große Nachteil ist, dass sich die Preisbewegungen nicht so intuitiv wie im Kerzenchart ablesen lassen.
Range Bar Charts – der etwas andere Blickwinkel
Der Range Bar Chart orientiert sich nicht, wie bei den bisher besprochenen Charts, an zeitliche Faktoren, sondern an einer Range (deutsch: Bereich). Schauen wir uns zunächst mal den Range Bar Chart an:
Der Range Bar Chart im Trading
Der Range Bar Chart sieht auf den ersten Blick dem Balkenchart sehr ähnlich. Doch der große Unterschied ist der, dass der Range Bar Chart zeitlich entkoppelt ist. Das bedeutet, dass sich hier immer dann neue Elemente erstellen, wenn sich der Preis einer Aktie um einen zuvor eingestellten Bereich verändert hat. Wenn wir also eingestellt haben, dass unsere Range $1 beträgt, wird erst dann ein neues Element erstellt, wenn sich die Aktie um diese Range ($1) verändert hat. Dabei gilt diese Regel für beide Handelsrichtungen. Der Vorteil besteht darin, dass der Chart die zeitliche Kopplung herausnimmt. Dadurch haben wir einen Chart, der sich auf die relevanten Entwicklungen fokussiert und die irrelevanten Bewegungen aus dem Chart entfernt.
Renko Chart – Ziegel für Ziegel
Der Legende nach wurde dieser Charttyp vor 500 Jahren in Japan entwickelt. Renko bedeutet im Japanischen „Ziegel“, was anhand des Erscheinungsbildes auch deutlich wird.
Der japanische Renko Charttyp wird durch Ziegel dargestellt
Der Renko Chart ist vom Prinzip ziemlich ähnlich zum Range Bar Chart. Allerdings gibt es beim Renko Chart keine Dochte. Wir definieren hier also eine „Range“ von zum Beispiel einem Dollar. Nun ist es aber so, dass die Renko-Kerze erst gebildet wird, sobald der Preis $1 in die eine oder $1 in die andere Richtung geht. Ein Beispiel:
Eine einzelne Renko-Kerze schematisch dargestellt
Steigt der Preis entweder um einen Dollar oder fällt um einen Dollar, entsteht ein neuer, rote oder grüner Renko-Ziegel. Auch beim Renko Chart sind die Kerzen zeitlich unabhängig. Für den Renko Chart ergeben sich die gleichen Vor- und Nachteile, wie beim Bar Range Chart.
Heikin Ashi – Magie aus Fernost
Ob der Heikin Ashi nun zu den Charttypen oder zu den Indikatoren zählt, darüber kann gestritten werden. Der Heikin Ashi beruht auf dem klassischen Kerzenchart. Allerdings glättet der Heiken Ashi diesen ein wenig und bringt dadurch ein wenig mehr Ruhe ins Chartbild.
Der Eröffnungskurs der aktuellen Kerze berechnet sich aus der halbierten Summe des Eröffnungskurses und Schlusskurses der vorherigen Kerze. Der Schlusskurs der aktuellen Kerze berechnet sich aus der geviertelten Summe des Eröffnungs-, Schluss, Hoch und Tiefkurs der aktuellen Kerze. Der Hoch- und Tiefkurs wird ganz normal mit den Extremwerten berechnet. Dadurch hat man eben ein sehr harmonisches Chartbild ohne Lücken. Besonders große und kleiner Kerzen haben im Heikin Ashi Chart besonders große Gewichtung.
Der ebenfalls aus Japan stammende Charttyp Heiken Ashi erinnert an den klassischen Kerzenchart, glättet aber gewisse Werte, sodass der Chart harmonischer aussieht
Aber Achtung, besonders diese etwas komplexere Berechnung ist ein großer Nachteil des Heikin Ashi. Backtesting ist hier besonders schwierig, weil der Chart eben nicht jeden erreichten Preis abzeichnet. Auch muss immer gewartet werden, bis Kerzen ausgebildet sind, da sonst keine Interpretation möglich ist.
Zusammenfassung
Hauptsächlich hängt der „richtige“ Charttyp von deiner Erfahrung und deiner Strategie ab Der Linien-, Kerzen-, Heikin Ashi und Balkenchart sind zeitabhängige Charts. Der Renko- und Range Bar Chart sind vom Wert abhängig. Besonders saubere Charts sind gute Möglichkeiten für Einsteiger.