Hinweis: Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus: Effekte einer fünfwöchigen E-Learning Intervention auf die Emotionale Kompetenz, Hövelborn, 2018
Was ist die Emotionale Kompetenz?
Anstelle des Begriffs der Emotionalen Intelligenz wird von einigen Autoren der Begriff „Emotionale Kompetenz“ (EK) verwendet. Grund dafür sind u.a. zwei Studien, welche zeigten, dass sich die für die Emotionale Intelligenz (EI) zugrundeliegenden Kompetenzen erlernen und lehren lassen, was nicht im Einklang mit der Definition der Intelligenz steht. Aus diesem Grund wird im Folgenden von Emotionale Kompetenz anstelle der EI gesprochen, dennoch handelt es sich um dasselbe Konstrukt, welches aufgrund der erhöhten Popularität noch immer unter dem Namen EI in der Literatur zu finden ist.
Um die Emotionale Kompetenz messbar zu machen, entwickelten einige Arbeitsgruppen unterschiedliche Tools, welche entweder auf den genannten Persönlichkeitstests (z.B. Bar-On, 1997; Petrides, 2001; Petrides, Pérez-González & Furnham, 2007; Schutte et al., 1998) oder Testungen der Maximalleistung basierten (Mayer et al., 1999; Mayer, Salovey & Caruso, 2002). Obwohl es mit diesen Tools möglich ist, Effekte festzustellen, haben diese Testverfahren eine Schwachstelle. Es ist nicht möglich, unterschiedliche Kompetenzen auf unterschiedliche Bereiche der EK zu beziehen. Nach Brasseur, Gregoire, Bourdu und Mikolajczak (2013) ist anzunehmen, dass beispielsweise die intrapersonelle EK einen höheren Effekt auf die Gesundheitsprognose haben kann als die interpersonelle EK. Umgekehrt ist anzunehmen, dass die interpersonelle EK einen größeren Einfluss auf die Vorhersage der Qualität einer sozialen Beziehung hat als die intrapersonelle EK. Dies klingt grundsätzlich sehr schlüssig, dennoch war es bis dato schlichtweg nicht möglich, verschiedene Kompetenzen auf intra- und interpersoneller Ebene zu unterscheiden. In ihrer Studie entwickelten Brasseur et al. (2013) in vier Schritten das Profil der Emotionalen Kompetenz (PEK). Die zugrundeliegenden Testobjekte folgten dem EK Modell von Mikolajczak, Quoidbach, Kotsou und Nelis (2009). Grundsätzlich handelt es sich hierbei um eine leicht modifizierte Version des bereits erwähnten Modells von Mayer und Salovey (1997), differenziert aber die Identifikation von dem Ausdrücken von Emotionen, basierend auf faktoriellen Unterschieden (Parker, Bagby, Taylor, Endler & Schmitz, 1993).
Die fünf Kompetenzen, Identifizierung, Ausdruck, Verständnis, Regulierung und Nutzung von Emotionen wurden weiterhin jeweils in intra- und interpersonell Bereiche unterteilt. Die Testobjekte leiteten sich zum Teil aus bestehenden Tools wie dem TEIQue (Petrides & Furnham, 2001) und dem SEI ab (Austin, Saklofske, Huang & McKenney, 2004). Die finale Version des PEK besteht aus zehn Subskalen der fünf Testobjekte, welche in die zwei Faktoren intra- und interpersonelle Emotionale Kompetenz, gruppiert sind und einem zusätzlichen globalen Score. Zusammenfassend hat sich das Verständnis, ausgehend von einer Vielzahl revidierter Definitionen der EI bis hin zur EK über das letzte Jahrhundert sehr stark verbessert. Durch die klaren Definitionen und die Unterscheidung der einzelnen Kompetenzen hinsichtlich der intra- und interpersonellen EK, ist es leichter möglich, diese gezielter zu testen und somit Effekte zu untersuchen. Letztere werden im Folgenden näher betrachtet.
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Effekte auf die Emotionale Kompetenz
Im Folgenden werden die Effekte der EK im Hinblick auf die Gesundheit, das Sozialverhalten und die Leistung unterteilt und näher erläutert.
Gesundheit
Eine Meta-Analyse von Schutte, Malouff, Thorsteinsson, Bhullar und Rooke (2007), bei welcher Antworten von 7898 Probanden ausgewertet wurden, zeigte, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der EK und besserer Gesundheit gibt. Bezugnehmend auf die eingangs erläuterte Burn-Out Problematik durch die zunehmende Überforderung zeigen unterschiedliche Studien ein verringertes Burn-Out Risiko bei Individuen mit erhöhter EK (Brackett, Palomera, Mojsa-Kaja, Reyes & Salovey, 2010; Martins, Ramalho & Morin, 2010; Platsidou, 2010; Singh & Woods, 2008). Ergänzend dazu konnte gezeigt werden, dass ebenfalls ein gesenktes Risiko gegenüber psychologischen Störungen besteht (Hertel, Schütz & Lammers, 2009; Lizeretti & Extremera, 2011), umgekehrt die Emotionale Kompetenz ein negativer Prädiktor für Psychopathologien ist (Gardner & Qualter, 2009; Williams, Daley, Burnside & Hammond-Rowley, 2010).
Darüber hinaus wirkt sich eine erhöhte Emotionale Kompetenz (EK) positiv auf das Wohlbefinden (Extremera & Rey, 2016; Extremera, Ruiz- Aranda, Pineda-Galán & Salguero, 2011; Platsidou, 2010) und ein erhöhtes Selbstwertgefühl aus (Gallagher & Vella-Brodrick, 2008; Schutte, Malouff, Simunek, McKenley & Hollander, 2002). Gesteigerte Emotionale Kompetenz geht einher mit gesundheitsfördernden Faktoren wie regelmäßigem Training, höherer körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung (Saklofske, Austin, Galloway & Davidson, 2007; Solanki & Lane, 2010).
Auf der Gegenseite steht eine erhöhte Emotionale Kompetenz mit der Senkung gesundheitsschädlicher Faktoren im Zusammenhang.
So konnten Hill und Maggi (2011) zeigen, dass junge Erwachsene im Alter von 20 und 21 Jahren mit einer höheren EK weniger rauchen. Es konnte in dieser Studie auch gezeigt werden, dass Gelegenheitsraucher einen höheren Score bei den interpersonellen Kompetenzen aufweisen. Die Autoren vermuteten in dieser Gruppe soziale Raucher (vgl. Hill & Maggi, 2011). Ähnliche Ergebnisse konnten Trinidad und Johnson (2002) zeigen. Bezüglich des Alkoholkonsums konnte eine Meta-Analyse von Peterson, Malouff und Thorsteinsson (2011) einen signifikanten Zusammenhang zwischen geringerer EK und häufigeren Problemen, bedingt durch Alkoholkonsum, feststellen.
Die Grundlage der Meta-Analyse umfasste 11 Studien, 16 Effektgrößen und 2271 Probanden. Grund für den negativen Zusammenhang könnten u.a. fehlende sozial-emotionale Fähigkeiten sein, um dem Gruppenzwang zu widerstehen (Trinidad & Johnson, 2002). Neben dem Alkoholkonsum gibt es ähnliche Zusammenhänge mit Süchten im Allgemeinen (Kun & Demetrovics, 2010; Parker, Taylor, Eastabrook, Schell & Wood, 2008) und Ecstasy Konsum (Craig, Fisk, Montgomery, Murphy & Wareing, 2010). Bezogen auf den Umgang mit Stress konnte gezeigt werden, dass eine erhöhte Emotionale Kompetenz einen schützenden Charakter gegenüber dem subjektiv empfundenen Stresslevel besitzt (Mikolajczak, Menil & Luminet, 2007). Physiologische und hormonelle Grundlagen für diese subjektiven Empfindungen konnten wiederum in anderen Studien gezeigt werden. Es besteht ein gesundheitsförderlicher Einfluss auf das Stresshormon Cortisol (Laborde, Lautenbach, Allen, Herbert & Achtzehn, 2014; Mikolajczak, Roy, Luminet, Fillée & Timary, 2007) sowie der Herzratenvariabilität (Laborde, Brüll, Weber & Anders, 2011).
Sozialverhalten
Bereits Anfang des Jahrtausends konnten Schutte und Kollegen (2001) bei sieben Studenten einige Effekte bezüglich des Sozialverhaltens und der EK feststellen. Höhere Emotionale Kompetenz stand mit einem höheren empathischen Einfühlvermögen und einer größeren Selbstkontrolle in sozialen Situationen im Einklang. Es wurden weiterhin ein größeres Kooperationsvermögen sowie weitere soziale Fähigkeiten beobachtet. Zudem bestand ein positiver Zusammenhang zwischen EK und der Zufriedenheit in der Ehe (vgl. Schutte et al., 2001). Ähnliche Ergebnisse konnten in einer weiteren Studie gefunden werden. Probanden mit einem höheren EK Score sahen sich selbst als sensitiver gegenüber anderen Menschen und daher als sozialer an. Diese Selbsteinschätzung wurde umgekehrt von den Außenstehenden bei Individuen mit einem höheren EK Score bestätigt (Lopes, Salovey, Coté & Beers, 2005).
Weitere positive Effekte wie konstruktive Kommunikation oder negative Zusammenhänge zwischen EK und schadenden Kommunikationsmuster in Form gegenseitiger Vermeidung oder Verweigerung konnten ebenfalls festgestellt werden (Schutte et al., 2001; Smith, Ciarrochi & Heaven, 2008; Smith, Heaven & Ciarrochi, 2008). Gleiches konnte für Vorschüler festgestellt werden, bei denen Individuen mit hoher EK ein sozialeres Verhalten hatten und negative Verhaltensweisen vermieden. Sie wurden von den Mitschülern als kooperativ, weniger aggressiv und als führungsqualifiziert bezeichnet (Mavroveli, Petrides, Rieffe & Bakker, 2007; Mavroveli, Petrides, Sangareau & Furnham, 2009; Petrides, Sangareau, Furnham & Frederickson, 2006).
Leistung
Effekte der EK in Hinblick auf die Leistung können in unterschiedliche Bereiche zusammengefasst werden. Im akademischen Kontext konnte gezeigt werden, dass EK im negativen Zusammenhang mit unerlaubten Abwesenheiten steht und Individuen mit höherer EK seltener gegen Regeln verstoßen (Mavroveli, Petrides, Shove & Whitehead, 2008; Petrides, Frederickson & Furnham, 2004). Erhöhte Emotionale Kompetenz verringert die Wahrscheinlichkeit für aggressives Verhalten bei Kindern im Alter von zehn Jahren (Santesso, Reker, Schmidt & Segalowitz, 2006). Parker, Summerfeldt, Hogan und Majeski (2004) postulierten einen positiven Zusammenhang zwischen der EK und der Motivation, durch welche die Studenten über ein Jahr bessere Studienleistungen erbrachten. Die gezeigten akademischen Leistungen konnten bei 372 Studenten des ersten Semesters durch emotionale und soziale Kompetenzen begründet werden.
Bei Betrachtung einzelner Ereignisse des Studienjahres, beispielsweise einer Klausur, kann eine erhöhte EK die Leistung steigern. Die Autoren vermuteten einen besseren Umgang mit negativen Gedanken innerhalb der Klausur, wodurch bessere Ergebnisse entstehen könnten (Laborde, Dosseville & Scelles, 2010). In einer weiteren Studie, bei der Schüler im Alter von 8-11 Jahren untersucht wurden, konnte die Emotionale Kompetenz einen Teil der Sprach- und Matheleistungen erklären (Agnoli et al., 2012). Im sportlichen Kontext kann eine erhöhte EK positiv mit der Zufriedenheit der erbrachten Leistungen in Einklang gebracht werden (Laborde, Dosseville, Guillén & Chávez, 2014). Als Gründe hierfür werden u.a. effektivere Strategien zur Stressbewältigung (Laborde, You, Dosseville & Salinas, 2012), das häufigere Auftreten von angenehmen emotionalen Zuständen (Lane & Wilson, 2011) und eine bessere physiologische Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress (Laborde et al., 2011) genannt.
Weiterhin gibt es eine positive Relation zwischen der EK und Führungskompetenzen im Sport, welche sich aus den interpersonellen emotionalen Fähigkeiten ableiten lassen (Magyar et al., 2007). Im Forschungsfeld des Berufslebens, durch welches das Konstrukt der EK im Jahr 1995 durch Goleman an Popularität und zunehmender Dynamik gewann, können ebenfalls eine Vielzahl von Effekten und Zusammenhänge notiert werden. So konnten beispielsweise Nelis und Kollegen (2011) auf die Bedeutung der EK bezüglich eines erfolgreichen Vorstellungsgespräches hinweisen. Eine erhöhte Emotionale Kompetenz wirkt sich auf einen besseren Umgang mit dem Stress während des Gespräches aus und ermöglicht es den Kandidaten, eigene Emotionen und die Emotionen der Führungskräfte angemessen zu berücksichtigen. Erhöhte Emotionale Kompetenz steht weiterhin im positiven Zusammenhang zu Gruppenprozessen, effektiver Führung von Gruppen (Côté, Lopes, Salovey & Miners, 2010) und führt zu besseren Entscheidungen bei der Arbeit (vgl. Hess & Bacigalupo, 2011).
Daneben ist eine erhöhte Emotionale Kompetenz positiv mit dem Engagement der Arbeitnehmer verbunden (Gardner, Qualter & Whiteley, 2011) und führt zu zufriedenen Beziehungen zu den Kollegen innerhalb des Unternehmens (Mikolajczak, Balon, Ruosi & Kotsou, 2012). Eine erhöhte Emotionale Kompetenz als Prädiktor für die Leistung im Beruf konnte in einer umfassenden Meta-Analyse bestätigt werden (O’Boyle, Humphrey, Pollack, Hawver & Story, 2011). Ausgehend von unterschiedlichen Definitionen der EK über die Entwicklung verschiedener Testverfahren konnten signifikante Zusammenhänge zwischen der EK und Effekte auf elementare Bestandteile des Lebens aufgezeigt werden. Es ist daher von besonderem Interesse, mehr über die Trainierbarkeit der EK zu erfahren (z.B. Campo & Laborde, 2015; Campo, Laborde & Mosley, 2016; Dacre Pool & Qualter, 2012; Hodzic, Scharfen, Ripoll, Holling & Zenasni, 2017; Nelis, Quoidbach, Mikolajczak & Hansenne, 2009), um die positiven Effekte auszunutzen und negative Effekte minimieren zu können. Weiterhin sollte dies exemplarisch an Probanden untersucht werden, welche ein hohes Maß der genannten Stressoren und Anforderungen im alltäglichen Umfeld erfahren. Um dies zu garantieren, befasst sich die vorliegende Thesis mit Händlern der Finanzmärkte, sogenannte Trader. Die Grundlage zum Verständnis der besonderen Anforderungen dieser Zielgruppe wird im Folgenden anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse geschaffen.